Désert des Agriates

19. April 2022

An der Nordküste Korsikas befindet sich dieses Naturschutzgebiet. Dort soll es die schönsten Strände der Insel geben. Früher gab es einen Schmugglerweg. Dieser ist teilweise als Wanderweg umfunktioniert worden. Jedoch sind die meisten Strände nur per Boot zu erreichen. Die Beschreibung erzählt von einem wüstenartigen Küstenstreifen und einer Steinwüste mit grünen Oasen. 

Ich hatte vorab ein wenig im Internet recherchiert. Dabei bin ich auf eine Bloggerin gestoßen, die von einem Weg berichtet, der zu einem Strand führt. 5 km. Die Bilder sahen gut aus. Breiter Weg. Einfach zu gehen. Also beschloss ich, diesen Weg zu gehen und nicht den offiziellen Weg, auf dem ich viele Wanderer vermutete…. Ein großer Fehler! Damals hatte ich noch keinen Gedanken an einen eigenen Blog verschwendet. Heute denke ich oft an den Beitrag dieser Bloggerin-leider habe ich den Beitrag nie mehr gefunden…. Und eins weiß ich: ich bin froh, dass wir diese Wanderung unbeschadet überstanden haben… Und ich habe mir vorgenommen, nur gut recherchierte Beiträge zu verfassen. Beiträge, die man sicher und „ohne Gefahr“ nachwandern kann. Beiträge, die keinen in Gefahr bringen.

Ich war lange hin und her gerissen, ob ich diesen Beitrag nun verfassen soll oder nicht. Und eins ist mir ganz wichtig: diesen Weg solltet ihr auf keinen Fall nehmen! Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben Angst, dass ich die Wanderung nicht überlebe. Es war wirklich brenzlig und gefährlich. Naiv. Und dumm. Ich hatte die gesamte Situation völlig unterschätzt. Und das brachte mich in eine sehr gefährliche Situation…Ich hatte an diesem Tag wirklich mehr Glück als Verstand- und sicher eine Truppe Schutzengel, die auf mich aufgepasst hat….

Doch all das wußte ich noch nicht, als ich mich morgens auf den Weg zur Wüste gemacht habe. Frohen Mutes und bestens gelaunt packte ich alles ins Auto und nahm den Weg in die Berge. Und es ist so schön, in die Berge zu fahren. Mit einem permanenten Staunen über die Schönheit dieser Insel machte ich irgendwann an einem größeren Parkplatz halt, um ein Foto zu machen. 

Der Ausblick war fantastisch! Im Hintergrund die schneebedeckte Bergkette. Davor saftig grüne, blühende Hügel. Das Meer auf der anderen Seite. Wirklich traumhaft! Auch standen einige andere Autos auf dem Parkplatz. Und dann sah ich das Schild aus dem Beitrag der Bloggerin. Dort startete der Weg, über den sie berichtet hatte… Dachte ich. Heute vermute ich, dass es wahrscheinlich viele dieser Wege gibt, die von der Hauptstraße abzweigen. Alle mit dem gleichen Schild ausgestattet, das die Grenzen der Wüste bezeichnet. Damals dachte ich: super, den Weg habe ich gefunden. Also ab zum Meer. Einsamer Sandstrand wir kommen…. 

Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus! Es ist soooo schön dort! Die Ausblicke sind herrlich, egal in welche Richtung man schaut. Ich konnte mich gar nicht satt sehen. Sanfte Hügel. Hochgebirge mit Schneespitzen. Wilde Orchideen am Wegesrand. Vor mir der helle Weg, dessen weiteren Verlauf man in der Ferne sah. Er wand sich immer weiter durch die Landschaft in Richtung Meer. Die Wüste selbst ist bedeckt von niedrigen Büschen. Orchideen. Ginster. Überall blüht es. 

Entsprechend leicht und beschwingt lege ich die ersten Kilometer zurück. Und beginne mich langsam zu fragen, ob es wirklich nur 5 km bis zum Meer sind… Doch dann ist es natürlich immer schwer, Distanzen sowie den Verlauf der Küstenlinie abzuschätzen, wenn man die Region überhaupt nicht kennt… Schließlich erreichte ich eine Art Aussichtsplattform. Und sah den Strand. Und wußte: dieser Weg ist definitiv weiter als 5 km. Bis zur Küste war es noch ein gutes Stück. Und ab jetzt ging’s nur bergab-also später auch ein gutes Stück nur bergauf. Gut 500 Höhenmeter laut Navi. Aber: dann wären wir ja abgekühlt. Nach einer Pause am Strand. Nachdem wir im Meer geschwommen sind. Dann wäre der Rückweg nicht allzu anstrengend… Und ich beschloss, den Weg fortzusetzen. 

Schließlich machte der Weg eine Kurve- und ich die erste Pause im Schatten. Langsam wurde es warm und der Platz unter dem Olivenbaum sah sehr einladend aus. Die Hunde waren froh über ein bißchen Schatten. Und wieder dachte ich: naja, jetzt sind wir so weit gelaufen-das letzte Stück (45 Minuten) zum Meer schaffen wir auch noch. Und den Rückweg ein paar Stunden später meistern wir dann ausgeruht und abgekühlt… 

Und so folgten wir froh gelaunt dem Weg bergab. Unten kreuzten wir einen anderen Weg. Langsam kamen vereinzelte Olivenbaum-Haine dazu. Nach gut 30 Minuten waren wir fast ganz unten angekommen. Der Weg machte eine Biegung nach rechts, um dann in einer starken Linkskurve wieder nach links abzubiegen. Kaum um die erste Ecke gebogen sah ich unten am Wegesrand eine „Kuh“. Und diese sah uns auch. Freudig machte ich ein Foto-ich hatte vorher bereits in vielen Reiseführern Bilder von Kühen am Strand gesehen. Außerdem waren auf der ganzen Insel Kühe frei unterwegs. Doch dann sah ich, dass die Kuh ein junger Stier war. Ich kenne mich nicht gut aus mit Kühen und Stieren, aber er starrte uns an und begann mit seinem Vorderbein zu scharren. Entsetzt drehte ich um und suchte Schutz hinter einem Busch. Ok, dachte ich. Jetzt mal langsam. Keine Panik. Ich lugte hinter dem Busch in Richtung Stier-der sein Verhalten nicht im Geringsten verändert hatte und nach wie vor scharrend in unsere Richtung schaute. Nun weiß ich, dass Kühe im Allgemeinen auf Hunde recht seltsam reagieren. Immer wieder gibt es Berichte von Unfällen, die auf einer Alm passieren wenn Hundebesitzer mit ihren Hunden über Weiden laufen. Außerdem sah ich nur einen Stier. Einen jungen Stier. Ohne eigene Herde. Ich nahm also an, dass er sich ein neues Revier zugelegt hatte (falls Kühe so etwas tun), das er nun ganz sicher verteidigen würde. Besonders vor Hunden. Trotzdem kam ich mir ein bißchen lächerlich vor. Ich wollte an den Strand. Nur noch 10 Minuten. Es war schon sehr heiß. Die Hunde wurden langsam müde. Und außerdem waren ja viele Touristen auf der Insel unterwegs, die ständig Bilder mit den freilaufenden Kühen machten…

So beschloss ich also, die Rechtskurve auszulassen und mich durch die Hecken nach links bergab zu schlagen. Ein kurzes Stück, vorbei an einem kleinen befestigten Plateau mit Solarpaneelen, dann war ich auch schon wieder auf dem Weg. Bis wir nachher zurück gehen würden, wäre der Stier sicher verschwunden…. Leider wurde der Weg nach ein paar Metern immer enger. Zugewachsen mit Hecken. Und mir wurde es mit jedem Schritt ein bißchen mulmiger. Sollten noch weitere Kühe hier in der Umgebung sein, hätte ich auf diesem Weg keinerlei Möglichkeit gehabt auszuweichen. 

Also gab ich mich erst einmal geschlagen und kehrte zu dem Plateau mit den Solarpaneelen zurück, das oberhalb des Weges lag. Die Hunde konnten sich im Schatten ausruhen. Ich wunderte mich, was wohl diese Paneelen mitten im Nirgendwo versorgen. Ein Blick auf mein Handy half wenig, da ich hier unten keinen Empfang hatte. Während ich noch darüber nachdachte und gerade einen Schluck Wasser trank, hörte ich links von mir ein Geräusch. Von links, da ich auf der Mauer saß. Von links, wo der Stier in der anderen Kurve stand. Ich drehte mich um und sah hinunter auf den Weg. Und dann sah ich ihn. Der Stier kam interessiert den Weg entlang geschlendert-und sah mich dann direkt an. 

In diesem Moment schoss mein Puls in die Höhe. Ich warf die Wasserflasche in den Rucksack, sprang auf, schnappte mir den Rucksack und die Hunde und schaute nach links. In dieser Zeit hatte der Stier das Stück vom Weg die Böschung hoch nach oben bewältigt und stand mit uns auf gleicher Höhe. Keine 5 Meter entfernt. Adrenalin schoss in meinen Körper. Ein Gefühl, das ich bis zu diesem Zeitpunkt in dieser Intensität nie erlebt hatte. Meine einzige Chance war es, vor dem Stier den Hauptweg zu erreichen. Es gab keine Bäume. Keinen Unterschlupf. Ich hätte die Hunde nirgends hinbringen können-außer wieder zurück. So schnell es geht. Also begann ich zu rennen. Verdutzt schauten mich die Hunde an. Scheinbar begriffen sie aber, dass es mir ernst war, und setzten nun ebenfalls zum Sprint an. Ein paar Meter nur, dann waren wir wieder auf dem Hauptweg. 45 Minuten bis zum Olivenbaum. Dachte ich. 45 Minuten bergauf. Mein Puls raste. Meine Augen suchten verzweifelt nach einem Baum. oder nach irgendwas, um mich zu schützen. Oder zu verteidigen. Während ich weiter rannte, hob ich im Laufen einen Stein auf-aus heutiger Sicht völliger Unsinn, denn ich kann nicht besonders gut werfen. Noch gut treffen. Noch hätte es den Stier im Geringsten interessiert, von einem „Steinchen“ getroffen zu werden. Wahrscheinlich hätte es ihn nur noch wilder gemacht…

Aber in diesem Moment war der Stein alles, was ich hatte. Ich umklammerte den Stein. Ich umklammerte die Leinen. Und ich rannte so schnell ich konnte. Immer weiter bergauf. Nach ein paar hundert Metern sah ich rechts einen kleinen Pfad, den ich vorher auf dem Weg nach unten gar nicht wahrgenommen hatte. Er bog zumindest von dem Hauptweg ab. Ich hatte mich bisher nicht getraut, nach hinten zu schauen. Jetzt wagte ich einen Blick über die Schulter: kein Stier in Sicht. Ich wußte nicht, ob ich mich freuen oder noch mehr in Panik verfallen sollte. Vielleicht war er parallel zum Weg durch die Büsche unterwegs. Ich lauschte. Ganz weit weg hörte ich eine Kuh muhen. Aber Stiere muhen nicht. Also half mir das nicht weiter… Ich schaute in den Weg rein und sah eine Hütte! Meine Rettung. Ich hätte heulen können vor Glück. Schnell lief ich zur Hütte-die natürlich verschlossen war. Dennoch: notfalls wäre sie hoch genug, um vor einem angreifenden Stier zu entkommen. Aber nicht zu hoch, so dass ich die Hunde hätte aufs Dach setzen können. Ich schaute mich um: kein Stier! Langsam beruhigte ich mich. Setzte mich auf die Bank neben der Hütte in den Schatten und schaute auf mein Handy. Empfang! Nicht viel, aber genug um notfalls Hilfe zu rufen. So ein Glück. Ich wußte, dass der Weg zurück zum Auto lang sein würde, also suchte ich nach einer alternativen Route. Nix. Ok, dann den Weg zurück zum Auto. Und GoogleMaps zeigte an: 10 km. Gut 500 Höhenmeter. In der Mittagshitze. Ohne Schatten. Einen staubigen Weg durch die Wüste-und nur noch eine Flasche Wasser im Gepäck….

Erst als wir wieder am Olivenbaum ankamen, ließ die Anspannung langsam ein wenig nach. Vom Stier war weit und breit nichts mehr zu sehen. Langsam baute mein Körper das Adrenalin wieder ab. Und die Müdigkeit nahm zu. Die Hitze auch, während die letzte Wasserflasche nur noch halb voll war. Das Wasser verteilte ich an die Hunde. Die armen 2 konnten gar nicht verstehen, was los war! Ich fluchte, beschimpfte mich selbst über so viel Blödheit. Über die Gefahr, in die ich die 2 gebracht hatte… Ich wußte, dass wir noch ein Stück vor uns hatten. Also machten wir viele Pausen. Wann immer die 2 Hunde sich Wasser verlangten, bekamen sie einen Schluck. Ich selbst nahm immer nur wenig. Und hatte noch nie so viel Durst… Unfassbar… Aber Schritt für Schritt. Meter für Meter. Kilometer für Kilometer schafften wir uns voran. 

Und dann kam die Überraschung: Motorengeräusche, die immer lauter wurden. Von hinten näherte sich ein Jeep. Es war die pure Erleichterung. Denn jetzt wußte ich: es gibt hier noch andere Menschen. Mich würde irgendwann jemand finden. Die Insassen winkten nett und fuhren an mir vorbei-nicht, ohne eine Staubwolke zu hinterlassen… Aber das war egal. Ich wußte, wir kommen an. Ich war mir sicher, dass wir den Weg schaffen. Die letzten 2 Kilometer waren die härtesten. Und dann, den Parkplatz fast in Sicht, kamen uns 10 Jeeps mit holländischen Kennzeichen entgegen. Offensichtlich war dies eine Offroad-Strecke für Touristen, die ihre Jeeps ausfahren wollten. Unfassbar! Alle lachten und winkten und hatten Spaß. Es schien sich keiner über uns zu wundern. 

Erleichtert kamen wir wieder am Auto an. Nach 20 Kilometern. 6 Stunden. Bei 30 Grad. Fix und fertig. Müde. Mit Sonnenbrand. Immer noch kopfschüttelnd, aber unglaublich dankbar, dass nichts Schlimmeres passiert war! 

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